Düsseldorf (Reuters) - Nach den angekündigten Strompreiserhöhungen der großen Energiekonzerne und zahlreicher Stadtwerke hat das Bundeskartellamt zu einer neuen Breitseite gegen die Marktriesen E.ON und Co ausgeholt.
Der Präsident der Bonner Wettbewerbsbehörde, Bernhard Heitzer, sieht in der massiven Beteiligung der großen Versorger an Stadtwerken ein Bollwerk gegen mehr Wettbewerb und niedrigere Preise. Heitzer brachte am Montag einen Zwangsverkauf der Beteiligungen ins Spiel. Hierfür fehlt ihm aber noch die rechtliche Handhabe. Die Energiekonzerne wiesen den Vorstoß Heitzers zurück.
"Der hohe Beteiligungsbesitz der Energiekonzerne ist eines der größten Hindernisse für mehr Wettbewerb auf den Endkundenmärkten", sagte der Kartellamtschef in einem Interview der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Die Abtrennung des Beteiligungsbesitzes könne die Strukturen für mehr Wettbewerb schaffen. Heitzer forderte eine Obergrenze für den zulässigen Grad an Verflechtung, ohne diese selbst zu beziffern.
Die Anordnung eines Zwangsverkaufs sei rechtlich noch nicht ausreichend abgedeckt, sagte eine Kartellamtssprecherin. Hierfür müsse das Wettbewerbsrecht novelliert werden. Ein entsprechender Vorschlag finde sich aber in dem Gesetzentwurf, den der hessische Wirtschaftsminister Alois Rhiel (CDU) kürzlich eingebracht habe. Rhiel will über eine Verschärfung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) die großen Konzerne notfalls auch zum Zwangsverkauf von Kraftwerken zwingen.
KONZERNE: KRITIK HEITZERS NICHT NACHVOLLZIEHBAR
Die Konzerne lehnten Heitzers Vorstoß umgehend ab. "Die Beteiligungen an Stadtwerken sind vom Kartellamt teilweise unter substanziellen Auflagen genehmigt worden", sagte eine RWE-Sprecherin. "Eingriffe in die Unternehmenssubstanz sind darüber hinaus zu Recht an hohe Voraussetzungen geknüpft und stoßen schnell an verfassungsrechtliche Bedenken", fügte sie hinzu. "Die Kritik des Bundeskartellamts ist nicht nachvollziehbar", erklärte auch EnBW. "Kommunen, Stadtwerken und regionalen Unternehmen sollte nicht die Möglichkeit verwehrt werden, Kooperationen und Beteiligungen einzugehen", betonte der Branchenverband BDEW.
Der kleinere Konkurrent MVV Energie begrüßte Heitzers Vorstoß hingegen. "Das ist ein hoch interesanter Vorschlag", sagte ein Firmensprecher. MVV sieht sich als möglichen Käufer für Stadtwerke-Beteiligungen, von denen sich große Energiekonzerne trennen könnten. "Wir sind immer an Stadtwerke-Beteiligen interessiert."
Nachdem E.ON und RWE für Januar Preiserhöhungen von bis zu zehn Prozent angekündigt hatten, waren auch mehr als 300 Stadtwerke nachgezogen - mit Erhöhungen bis über 30 Prozent. Die kleinen Versorger verwiesen auf die gestiegenen Beschaffungskosten. Viele von ihnen beziehen mangels eigener Kraftwerke ihren Strom von den Marktführern. E.ON und RWE seien zusammen beim Strom an über 200 und beim Gas an rund 270 Unternehmen beteiligt, sagte die Kartellamts-Sprecherin. Bei 70 Prozent der Stadtwerke, an denen sie beteiligt sind, seien sie Hauptlieferanten. "Der Verweis der großen Konzerne, keinen oder nur geringen Einfluss auf die Stadtwerke zu nehmen, ist nicht haltbar."
Die Forderung der EU nach einer Zerschlagung der Konzerne war sowohl beim Kartellamt als auch bei der Bundesnetzagentur auf Skepsis gestoßen. Sie verwiesen darauf, dass ein solcher Schritt wohl einen jahrelangen Rechtsstreit nach sich ziehen würde. Bei den Stadtwerken liege der Fall jedoch anders, sagte Heitzer, da diese nicht zum Kerngeschäft der Versorger gehörten. Käufer für die Beteiligungen zu finden, sei kein Problem. Dies zeige das Beispiel der Stadtwerke Leipzig, für die es 17 Interessenten gebe.