[SIZE="4"]Der wahre Held beim "Dinner for One"[/SIZE]
Jedes Jahr ist es das „same procedure as last Year". Am 31.12. versammeln sich ganze Partygesellschaften vor dem Flimmerkasten und schauen gemeinsam „Dinner for One". Denn am letzten Tag des Jahres kommt wirklich niemand am berühmtesten Tigerkopf der Fernsehgeschichte vorbei – außer James, der Butler.
Ob Familienabend oder Saufgelage, anonyme Mottoparty oder kleine Kerzenrunde – an Silvester macht jeder, was er will. Es gibt nur eine Konstante: „Dinner for One“ ist überall Pflicht.
Einige planen das Ritual bereits Wochen vorher, schreiben es fest ins Silvesterprogramm, so wie auch den Zeitpunkt fürs Bleigießen und Sektkühlen. Unorganisiertere dagegen zapppen spätestens kurz vor zwölf solange verzweifelt durchs Programm, bis sie endlich auf die nostalgische schwarz-weiße Kulisse stoßen, die der Butler James durchtaumelt. Alle, von jugendlichen Horden im kollektiven Vollrausch bis hin zum partymüden Einzelgänger finden sich für „Dinner for One“ vor dem Bildschirm ein. Und es wird gelacht. Schallend. Programmiert. Zu früh. Und doch: Es geht nicht anders.
James, der Krieger
Gewissermaßen ist der Zuschauer durch die alljährliche Dinner-for-one-Tradition schon konditioniert. Wenn der deutsche Synchronsprecher Hein Piper aus dem Off das Zwei-Mann-Stück eröffnet, spannt bereits ein pawlowscher Reflex die Lachmuskeln. Schon die Erwartung des nächsten Beinahesturzes kitzelt, keine Situationskomik kann mit den verzweifelten Versuchen des Butlers, das Dinner perfekt und sturzbetrunken zu servieren, mithalten. Elf mal innerhalb von 18 Minuten stolpert James über den Tigerkopf – und die Zuschauer amüsieren sich jedes Mal auf Neue.
Dabei ist „Dinner for One“ sozusagen die Mutter der Sketchkomik. Und der James-Darsteller Freddie Frinton der Inbegriff des Heldens: Gewitzt, mutig, unbeirrbar. Zwar steckt er in der Hülle eines grauen Butlers, doch in Wirklichkeit ist er ein Krieger. Sein größter Gegner heißt Alkohol und fährt die teuflischen Geschütze von Sherry, Weißwein, Champagner und Portwein gegen ihn auf. Den Kampf fechten sie als Reise nach Jerusalem-Spiel aus. Nur sind die Regeln ein wenig verdreht, denn nicht Menschen mit zuwenig Sitzmöglichkeiten, sondern Stühle mit Mangel an Platzhaltern bleiben übrig. Diese Situation bringt mit sich, dass James, sozusagen der Übrige, all diese Menschen ersetzen muss. Für ihn heißt es: Durchhalten und dabei vor allem Haltung bewahren.
James und die drei Phasen der Trunkenheit
Der Kampf gegen den Suff um die Haltung erzeugt spontane Solidarität. Wer kennt sie nicht, die übertrieben bedachten, viel zu großen Schritte, inmitten einer beschwingten Silvesterparty: längst taumelnden Ganges und nebligen Blicks, vorbei an Tischkanten, die man schmerzhaft rammt, Taschen-Schlaufen, in denen sich die Füße wie von selbst verheddern und Gläser, deren Inhalt sich bei geringfügiger Berührung prima auf den Hemden ihrer Träger ergießen. James' verbissene Tapferkeit ist bewundernswert. Wenn er aus der Ferne noch mit der Flasche zielt und der Weißwein von Menügang Zwei nur noch mit Anlauf den Weg ins Glas findet. Und wie sehr glüht beim Zuschauer in diesem Moment die Panik vergangener Schütt- und Kleckerpannen nach. James führt geradezu beispielhaft die drei Phasen der Trunkenheit vor. Nach der beschwingten Jovialität folgt das Bemühen um eine würdevolle Haltung und schließlich die unfreiwillige, komplette Enthemmung. Eben noch grummelt James Beschimpfungen über den Tiger, der sich ganz absichtlich und plötzlich – schon wieder! – in seine Laufbahn gelegt hat, doch schon kurz danach ist es dem gebeutelten Trinker völlig egal, ob Glas, ob Vase, ob Portwein oder Blumenwasser. Aber er mag torkeln, grölen und natürlich stolpern, vom Weg lässt er sich nicht abbringen.
Die nicht enden wollende Vier-Gänge-Runde um den Tisch ist sein Dogma. „Same procedure as last year?“ Er fragt zwar noch, aber das genauso rhetorisch wie Miss Sophies Antwort „Same procedure as every year“. Innerlich rebelliert er längst nicht mehr. Am Trinkgelage führt kein Weg vorbei, es ist sein Schicksal, seine Bürde. James und sein Sieg Aber warum tut der arme Kerl sich das an? Ist dies das Pflichtgefühl eines betagten Dieners? Weit gefehlt! Vergessen wir nicht, er ist kein Opfer, sondern ein Krieger. James hat die Jahre, in denen er das Ableben des mondänen Verehrerkreises seiner Dienstherrin aus dem Hintergrund beobachtete, genutzt, um seine eigenen Arterhaltungsmethoden an Miss Sophies Seite zu perfektionieren. Eine anspruchsvolle Frau wie Miss Sophie, die sich von Kriegsherren, Adligen, Lebemännern und Schöngeistern hofieren ließ, kann unmöglich damit zufriedengestellt werden, mit ihm, dem Butler, allein zu bleiben. Diese Wahrheit wäre ein Hohn auf die thronende Persönlichkeit.
Es geht also nicht anders: James muss sie alle ersetzen: Den Admiral von Schneider, Sir Toby, Mr. Pommeroy und Mr. Winterbottom. Aber was kostet es schon, einmal im Jahr Süßholz zu raspeln, schnittig die Hacken zusammenzuschlagen, zum patriotischen Toast anzusetzen oder sich anzüglich der Dame entgegenzuneigen? Die vierfache Konkurrenz hat die Geburtstage nicht überstanden – wahrscheinlich hat sie sich ins Grab gesoffen – und quasi aus der fünften Reihe hat sich James an ihr vorbei gedienert. Was also sind diese lächerlich kleinen Rollenspiele gegen diesen Triumph, schließlich die Herz-Dame dabei zu begleiten, wenn sie sich in ihre Gemächer „zurückzieht“?
Und während James und Miss Sophie verschwinden, geht auch die Festtagsgesellschaft ihren Weg. Weg vom Fernseher, hin zum Geschehen. Denn egal ob Familienabend oder Saufgelage, anonyme Mottoparty oder kleine Kerzenrunde: Jetzt wird gefeiert. Auf James!
Hier könnt ihr „Dinner for One“ sehen:
13:35 Uhr, NDR, "Dinner for One" - up Platt 14:00 Uhr, HR, Dinner for one auf Hessisch
16.00 Uhr, WDR, 40 Jahre "Dinner for one"
16.05 Uhr, NDR, Dinner for One oder Der 90. Geburtstag
16.20 Uhr, SR, Dinner for One oder Der 90. Geburtstag
16.30 Uhr, WDR, Dinner vor Wan(ne)
16.35 Uhr, HR, Dinner for one auf Hessisch
17.55 Uhr, NDR, Dinner for One oder Der 90. Geburtstag
18.50 Uhr, WDR, Dinner for One oder Der 90. Geburtstag
19.00 Uhr, BR, Dinner for one oder: Der 90. Geburtstag
19.00 Uhr, MDR, Dinner for one oder Der 90. Geburtstag
19.05 Uhr, RBB, Dinner for One oder Der 90. Geburtstag
19.10 Uhr, HR, Dinner for One oder Der 90. Geburtstag
19.15 Uhr, SF, Dinner for One oder Der 90. Geburtstag
19.40 Uhr, NDR, Dinner for One oder Der 90. Geburtstag
21.45 Uhr, WDR, "Dinner for One" - Schweizer Version
21.45 Uhr, SR, Dinner for One oder Der 90. Geburtstag
22.35 Uhr, HR, "Dinner for One" - Schweizer Version
23.40 Uhr, NDR, Dinner for One oder Der 90. Geburtstag
23.40 Uhr, ORF1, Dinner for One oder Der 90. Geburtstag
00.02 Uhr, BR, Dinner for one oder Der 90. Geburtstag
00.50 Uhr, HR, Dinner for one auf Hessisch
02.05 Uhr, WDR, "Dinner for One" - Schweizer Version
05.00 Uhr, WDR, Dinner vor Wan(ne)