"Mad Max" und die Nazi-Prostituierten
Das Video zeigt einen älteren Herren, bei dem es sich höchst wahrscheinlich um Max Mosley handelt, Fia-Boss und mächtigster Mann der Formel 1
Peinliches Schweigen in der Formel 1: Das Sex-Video, das den Fia-Präsidenten Max Mosley mit Prostituierten in Nazi-Uniform zeigt, hat bisher nur zu Rücktrittsforderungen von jüdischen Organisationen geführt - noch, denn der erfolgreiche Funktionär hat viele Feinde.
Die Formel-1-Welt in einen Schockzustand zu versetzen, das gelingt in der Regel nur durch Katastrophen, die sich auf der Rennstrecke abspielen. Moralisch ist das schon sehr viel schwerer. Aber das in London aufgetauchte Sex-Video, das Max Mosley bei zahlreichen SM-Praktiken mit Nazi-Utensilien zeigen soll, lässt die Macher der Formel 1 beinahe hilflos zurück - ausgedrückt durch das Schweigen zum brisanten Thema. Aber es könnte sich durchaus um die Ruhe vor dem Sturm handeln. Funktionär Mosley, Spitzname "Mad Max", hat sich als Präsident des Automobil-Weltverbandes Fia schließlich auch viele Feinde gemacht. Weggefährte Bernie Ecclestone sieht zwar keinen Grund für eine Demission, aber die Rücktrittsforderungen von außerhalb des Renn-Zirkels werden massiver.
Das Aufsehen, dass die Skandalaufnahmen aus einem von Prostituierten genutzten Apartment in Chelsea erzeugen, dokumentiert auch eins: Nicht Bernie Ecclestone, sondern Maximilian Rufus Mosley ist der mächtigste Mann der Formel 1. In seiner All-Macht vielleicht noch vergleichbar mit den Präsidenten des IOC oder der Fifa, in seinem Auftritt aber stets ein echter Gentleman. Besonders pikant sind die Utensilien bei den Sex-Spielen: Neben Peitschen und Ketten kommen bei der fünfstündigen und mit 2500 Pfund Sterling bezahlten Orgie Nazi- und KZ-Uniformen zum Einsatz. Die Bilder zeigen einen grauhaarigen Mann, der mal aktiv und mal passiv in das fesselnde Geschehen involviert ist, die Ähnlichkeit zum Steuermann des Automobilsports ist frappierend. Das pikante daran: Max Mosley, der Mitte April 68 Jahre alt wird, ist der Sohn des ehemaligen britischen Faschistenführers Oswald. Adolf Hitler war bei dessen Hochzeit anwesend.
Politische Karriere blieb Mosley verwehrt
Nachdem ihm aufgrund seiner Familiengeschichte die angestrebte politische Karriere in Großbritannien und auf europäischer Ebene verwehrt blieb, widmete sich der studierte Physiker und Jurist dem Motorsport. Zunächst als leidlich erfolgreicher Formel-2-Pilot, dann als Teambesitzer ("March") und Anwalt von Bernie Ecclestone. Die Männerfreundschaft mit dem Vermarkter währt vier Jahrzehnte lang, und ähnlich wie der Promoter jüdischer Abstammung seine Stellung ausbaute, hat auch Mosley auf Funktionärsebene zunehmend an Macht gewonnen. Sportliche und kommerzielle Belange des Sports wurden dabei geschickt verbunden, die Formel 1 ist neben Olympia, Fußball-WM und Super-Bowl das TV-Ereignis schlechthin. Die Öffentlichkeitswirkung verstärkt nun aber auch die möglichen Auswirkungen des Skandals. Ecclestone versucht zu relativieren: "Was Leute privat machen, ist ihre Sache. Ich glaube nicht, dass es den Sport in irgendeiner Weise beeinflusst." Aber das ist wohl mehr eine Hoffnung.
Mega-Funktionär Mosley, seit 1960 mit Jean verheiratet und Vater zweier Söhne, bezieht einen Großteil seiner Popularität auch aus der selbst geschaffenen Stellung als moralischer Instanz der Formel 1. Er spricht sanft, leise und sehr gewählt, seine Strategien sind clever und fintenreich, sein Durchsetzungsvermögen ist allerdings knallhart. So hat er es geschafft, die mächtigsten Automobilkonzerne der Welt, die vor einigen Jahren eine Konkurrenzserie aus der Taufe heben wollten, in die Knie zu zwingen. Zu Mosleys Geschick gehören nicht nur der Lobbyismus, sondern auch ein Gespür für den Zeitgeist - so hat er die Sicherheit der Formel 1 nach dem Tod von Ayrton Senna dramatisch verbessert, er hat früh das Thema Ökologie für den Top-Motorsport reklamiert (ab 2009 ist die Energierückgewinnung Pflicht), er verordnet der Milliarden-Branche gerade eine Sparkur.
Wahlweise vom Wohnort in Südfrankreich, der Fia-Zentrale in Paris oder dem Büro am Londoner Trafalgar Square aus zieht Mosley die Strippen. Einen Kommentar zu der Affäre gibt es von ihm nicht, ein Sprecher zitiert den Vorgang lediglich als "Privatangelegenheit von Mister Mosley und der Zeitung News of the world". Dass es bislang kein klares Dementi inklusive juristischer Drohungen gibt, schürt die Spekulationen. Anwälte sind inzwischen aber wohl eingeschaltet.
Mosley hat keinen Emporkömmling zu fürchten
Die Bilder, die nach und nach von den einschlägigen Seiten im Netz entfernt werden, schwächen die Position Mosleys. Allerdings hat der Steuermann der Fia - ähnlich wie Ecclestone - in seinem Imperium kaum einen Emporkömmling zu fürchten. Nachfolger in spe gibt es nicht, obwohl der Weltverband reihenweise Vizepräsidenten (wie den ADAC-Mann Hermann Tomczyk) und Senatoren aufbietet. Allein dem zurückgetretenen Ferrari-Geschäftsführer Jean Todt wäre die Nachfolgerolle zuzutrauen.
Bisher hat bei den Fia-Entscheidungen immer das Machtwort Mosleys gestanden, so wie beim umstrittenen Urteil in der Spionageaffäre gegen McLaren-Mercedes. Das Strafmaß 100 Millionen Dollar soll ein Vorschlag des Präsidenten gewesen sein. Natürlich genießt er es auch, dass nach seinen Regeln gespielt wird. Mosleys feines Gespür bei vielen Alleingängen besteht aber auch darin, das viele andere profitieren. Für die Fia ist die Formel 1 die einzige nennenswerte Geldquelle, und in der generellen Uneinigkeit der Rennställe ist es meist Mosley, der mit seinem Machtwort dafür sorgt, dass es weitergeht. Eine Wiederwahl im Herbst 2009 für weitere vier Jahre galt als Formsache. Bis zum Sonntag jedenfalls.