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Frontal21
Innovation wird blockiert
Autohersteller an neuem Ölfilter nicht interessiert
Der Ölwechsel beim eigenen Auto ist lästig und eine schmutzige Angelegenheit, wenn es der Fahrer selbst macht. Mit einem so genannten Nebenstrom-Ölfilter ist die ganze Prozedur gar nicht mehr nötig, sagen Experten.
von Hans Koberstein, 14.09.2004
Stefan Fischer fährt einen Ferrari mit 400 PS. Der wird nie einen Ölwechsel brauchen, sagt sein Besitzer. Denn er hat neben dem High-Tech-Rennmotor einen schlichten Nebenstrom-Ölfilter eingebaut. Der erste Ölwechsel wäre jetzt fällig. Doch der Ferrari fährt weiter, mit demselben Motoröl.
Hat er keine Angst vor einem Motorschaden?, wollen wir von Fischer wissen. "Überhaupt nicht", meint er. "Das Öl ist absolut beste Qualität. Der erste Ölwechsel wäre jetzt fällig gewesen, die Werkstatt sagt: Alles in Ordnung, und wir sind vollstens zufrieden."
Ölwechsel überflüssig
Nie wieder Ölwechsel? Markus Kemper in Hamm verkauft seit acht Jahren Nebenstrom-Ölfilter und ist überzeugt: Diese Technik macht den Ölwechsel überflüssig. "Das ist auch alles kein Hexenwerk, sondern in diesem Filter sitzt eine Patrone, die hundert mal feiner filtert als herkömmliche Filter das können", erklärt uns Kemper.
Der herkömmliche Ölfilter reinigt das Motoröl von groben Verschmutzungen. Der zusätzlich eingebaute Nebenstrom-Ölfilter säubert das Öl auch von feinem Dreck. "Die Ölfilter halten durch die Patrone das Öl sauber. Und alle 30.000 Kilometer wird diese Patrone getauscht. Hinzu kommen 0,7 Liter Additive, diese Additive sind wie eine Frischzellenkur für das Öl. Das heißt, ich brauche keinen Ölwechsel mehr zu machen. Ich tausche nur noch den Ölfilter aus, und das war dann der Ölwechsel", so Kemper.
"Wunderbare Schmierfähigkeit"
Das klingt gut, dachte sich der Taxiunternehmer Matthias Schmidt in Aschaffenburg. Sein Mercedes fährt jetzt schon 150.000 Kilometer ohne Ölwechsel, dank der Filtertechnik. Mit der hat Schmidt zwölf seiner Taxen ausgerüstet. Die Autos mussten bisher alle 20.000 Kilometer in die Mercedes-Werkstatt. Jetzt heißt es: Nie wieder Ölwechsel.
"Ich zeige Ihnen jetzt mal an dem Fahrzeug, das diesen Filter schon seit 150.000 Kilometern drin hat, Sachen, die uns selbst überzeugt haben", erzählt Schmidt. "Wir fahren mehrere Millionen Kilometer mit unserem Fuhrpark pro Jahr, und da habe ich so manches Öl schon gesehen. Wenn Sie sich das ansehen: Nach 150.000 Kilometern hat das Öl eine wunderbare Schmierfähigkeit. Und am allerbesten: Sie wischen es ab, und es bleiben keine Schmutzreste mehr. Das heißt, die Rußpartikel werden herausgefiltert, das Öl ist sauber."
Nicht empfehlenswert
Nun wollen wir von Mercedes wissen: Warum wird der Papierfilter nicht serienmäßig eingebaut? Warum müssen die Autos immer wieder in die Werkstatt zum Ölwechsel? Mercedes gibt Frontal21 dazu kein Interview, erklärt schriftlich: Die Filtertechnik sei nicht empfehlenswert, denn die wichtigen Additive im Öl brauchten sich auf.
Zitat: "Derzeit sind (...) keine Systeme verfügbar, welche eine kontrollierte Nachdosierung von Motoröl-Additiven im Fahrbetrieb mit der absolut notwendigen Zuverlässigkeit erlauben."
Der Test
Das Problem hat Jungunternehmer Kemper längst praktisch gelöst. Alle 30.000 Kilometer füllt er einen Cocktail mit Additiven nach. Motorprobleme bei seinen Kunden gebe es keine, sagt er.
Auf den Prüfstand kommt ein fabrikneuer Volkswagen TDI-Motor. Der soll 150.000 Kilometer laufen, ohne Ölwechsel. Die Tester sind davon überzeugt: Das kann nicht gut gehen.
Ein überraschendes Ergebnis
Krümmling: "Ich bin davon ausgegangen, dass der Motor etwa 60.000 Kilometer laufen wird und dann irgendwann seinen Geist aufgibt oder irgendwelche Schäden zeigt." Aber der Motor läuft. Der Nebenstrom-Ölfilter wird alle 30.000 Kilometer ausgewechselt. Verbrauchtes Öl wird nachgefüllt. Wie geplant geht der Test nach 150.000 Kilometern zu Ende - ohne Ölwechsel.
"Was ist tatsächlich passiert?", fragen wir bei Krümmling nach. "Nichts", lautet seine Antwort. Frontal21: "Das heißt: Keine Schäden?" Krümmling bestätigt: "Keine Schäden, der Motor ist durchgelaufen. Es ist für uns, für unseren Betrieb, für die Experten, die sich ja in diesem Bereich auskennen, schon überraschend, dass man einen Motor ohne Ölwechsel so lange betreiben kann." Und Manfred Motnik, Experte für Schmierstoffe, fügt hinzu: "Im Klartext heißt das, dass das Öl weiter hätte eingesetzt werden können, und dass die Aufgabe des Filters, der zusätzlich eingebaut worden ist, hundertprozentig funktioniert hat."
Frischölqualität
Motnik arbeitet seit Jahrzehnten als Schmierstoff-Experte eines großen deutschen Industriekonzerns. Er hat sich die Ölanalysen des VW-Motors genauer angesehen: "Wir haben weder eine thermische Belastung des Öls noch eine Alterung festgestellt. Durch die Cocktailzugabe der Additive war das Öl wieder auf Frischölqualität."
Frischölqualität nach 150.000 Kilometern ohne Ölwechsel - warum baut Volkswagen die einfache Technik nicht serienmäßig ein? Warum erspart VW den Kunden nicht den teuren Ölwechsel? VW lehnt ein Interview ab. Schriftlich erklärt man uns: "Es ergibt sich für den Kunden kein Vorteil durch den Einsatz eines solchen Filters, von daher kommt der Einsatz für uns nicht in Frage."
ZDF teste Filter vor 14 Jahren
Die Technik funktioniere einfach nicht, behauptet VW und müsste es eigentlich besser wissen. So heißt es in einem ZDF-Bericht von 1990: "Das Experiment begann am 15. Juni 1988 in Wolfsburg. Pünktlich um 9.55 Uhr rollte, wie angekündigt, ein Golf GTI vom Band, genauer gesagt, unser Golf." Das war vor 14 Jahren. Das ZDF kauft für einen Autotest einen fabrikneuen Golf GTI und baut einen Nebenstrom-Ölfilter ein. Der Golf fährt zwei Jahre lang - ohne Ölwechsel.
Ablehnung schon damals
Es ist eine kleine Sensation. In der anschließenden ZDF-Diskussionsrunde aber sind die Vertreter von VW und Aral an der Filtertechnik nicht interessiert - damals schon, vor 14 Jahren. Allein der Zuständige vom Umweltbundesamt, Hans W. Jakobi, fordert den Einbau in Serie: "Ich würde es begrüßen, wenn sich die Mineralölindustrie und Fahrzeugindustrie dieses Systems annehmen würden und wir bald zu so einem System in allen Fahrzeugen kämen."
Heute ist Hans Jakobi nicht mehr zuständig, seine Forderung vergessen. Dabei müsste das Umweltbundesamt gerade heute daran interessiert sein, Altöl zu vermeiden, wo es nur geht. Doch die einst geforderte Filtertechnik ist in der Behörde vom Tisch. Der heute zuständige Beamte, Axel Friedrich, ist felsenfest überzeugt: Die Filtertechnik kann gar nicht funktionieren.
"Filter kann nicht funktionieren"
"Ein Motoröl hat mehrere Funktionen zu erfüllen: einmal Partikel in der Schwebe zu halten, aber auch chemische Veränderungen aufzufangen, zu neutralisieren, thermische Prozesse aufzufangen", erklärt Axel Friedrich. "Dies kann ein Feinstölfilter in keinster Weise. Deswegen kann er auch prinzipbedingt nicht die Lebensdauer eines Motoröls verlängern."
Frontal21 hakt nach: "Das heißt, die Filtertechnik funktioniert nicht?" "Sie kann nicht funktionieren, weil diese chemischen Prozesse eben alleine ablaufen", so Friedrich.
Filter bewährt sich in der Praxis
Die Filtertechnik - sie kann also amtlich nicht funktionieren. Das einzige Problem: In der Praxis funktioniert sie prächtig. Wie zum Beispiel bei einem Linienbus der Pinneberger Verkehrsgesellschaft und das schon seit sieben Jahren. 500.000 Kilometer ist der ohne Ölwechsel durch Hamburg gefahren - dank Nebenstromfilter.
"Gab es da Probleme mit den Motoren?", fragen wir Peter Krüger von der Pinneberger Verkehrsgesellschaft. "Zur Zeit nicht, nein, bis heute nicht", lautet seine Antwort.
"Er funktioniert"
"Wie waren die Ölanalysen im Labor?", fragen wir weiter. Krüger: "Wir haben die ersten drei, vier Jahre Ölanalysen machen lassen und die waren positiv. Daraufhin haben wir den Versuch bis heute durchlaufen lassen."
Frontal21: "Also funktioniert der Filter?" "Er funktioniert, ja", bestätigt uns Krüger. Er funktioniert, vom Bus bis zum Ferrari - sie alle fahren mit demselben Öl einfach weiter, dank eines simplen Papierfilters.
von Hans Koberstein