Kampf gegen illegale Downloads
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries will verschärft gegen Raubkopierer vorgehen. Die SPD-Politikerin hat nach Informationen des Handelsblatts die sechs größten deutschen Internetanbieter im Januar zu einem Gipfel geladen, um endlich eine Lösung beim Umgang mit illegalen Musik-Downloads zu erzielen. Erste Gespräche zwischen Providern und der Musikindustrie laufen bereits.
Plakat der deutschen Filmindustrie: Nicht nur der Musikibranche sind Raubkopierer ein Dorn im Auge. Foto: PR
BERLIN. Im Gespräch ist eine Vereinbarung zwischen Providern und Musikindustrie, um illegale Downloads zu verhindern. Eine solche Regelung könnte vorsehen, dass Provider verpflichtet werden, Warnungen an Nutzer auszusprechen, die gegen das Urheberrecht verstoßen. Erst wenn eine solche Warnung ungehört bleibt, soll ein Strafverfahren eingeleitet werden. Die Warnungen sollen auf Internetnutzer eine abschreckende Wirkung haben.
Eine solche Regelung gibt es in England, Frankreich und demnächst auch in den USA. Sie ist das erklärte Ziel der Musikindustrie. „Damit wollen wir die Klageflut eindämmen. Dafür brauchen wir aber endlich eine Einigung mit den Internetprovidern, möglichst unter Federführung der Politik“, sagte Geschäftsführer Stefan Michalk vom Bundesverband der Musikindustrie dem Handelsblatt. Zwischen Providern wie Arcor und Musikunternehmen laufen bereits erste Gespräche.
Seit Jahren streiten sich Musikindustrie, Datenschützer und Provider über den richtigen Weg im Kampf gegen Raubkopierer. Zwar gab es bereits für die deutsche Industrie erhebliche gesetzliche Verbesserungen. Doch durch neue Vereinbarungen in den USA und durch die Gesetzgebung der Europäischen Union kommt wieder Bewegung in die Diskussion.
Bundesjustizministerin Zypries will jetzt mit den Vertretern von Deutscher Telekom, 1&1 Internet, AOL Deutschland, Arcor, Freenet und Kabel Deutschland darüber sprechen, wie mit geplantem europäischem Recht bei der „Verhinderung und Bekämpfung der Piraterie im digitalen Umfeld“ umgegangen werden soll.
Die Musikindustrie wirbt für eine Lösung, die sich an der „Olivennes-Vereinbarung“ aus Frankreich orientiert. Klagen erfolgen dort erst nach Warnungen durch die Provider. Notfalls drohen Sperrungen der Internetzugänge. Laut Industrie-Vertreter Michalk sei der Charme der Lösung bislang noch nicht erkannt worden. Die Unternehmen verfolgen bisher über den Dienstleister Pro Media die illegalen Downloads und schalten direkt die Strafverfolgung ein. Seit September 2008 steht ihnen ein aufwändiges zivilrechtliches Auskunftsrecht gegen die Provider zu. Dazu bedarf es einer richterlichen Anordnung.
Seit Beginn der intensiven Verfolgung 2004 in Deutschland ist die Anzahl der illegal heruntergeladenen Musiktitel von über 600 auf 312 Mio. im Jahr 2007 gesunken. Doch trotz der erfolgreichen Klagen gegen die Raubkopierer ist die Zahl der illegalen Downloads noch immens. Der Schaden wird seitens der Industrie auf über 500 Mio. Euro beziffert. Laut Gesellschaft für Konsumforschung laden über drei Millionen Bürger Musik illegal aus dem Internet. Über sieben Millionen tun dies über legale, oftmals kostenpflichtige Internetseiten.
Ein Warnsystem soll laut Umfragen über 70 Prozent der User vor illegalen Downloads abschrecken und die Zahl der Klagen reduzieren. 2007 und 2008 sollen in Deutschland alleine 60 000 Strafanzeigen wegen Urheberrechtsverletzungen bei Musik gestellt worden sein. Angesichts der Klageflut hatten Staatsanwälte zuletzt einen Grenzwert definiert, wonach nur gegen Raubkopierer ermittelt werden soll, wenn sie mehr als 3 000 Titel illegal heruntergeladen haben.
Verfahrene Lage
Jetzt scheint eine Lösung, die über die Gerichtsprozesse hinausgeht, möglich zu sein. Nach Informationen des Handelsblatts laufen bereits Gespräche zwischen großen Providern wie Arcor und der Musikindustrie. Bislang hatte die Branche der Internetanbieter immer datenschutzrechtliche Bedenken angemeldet. Andreas Maurer, Sprecher von 1&1, gab sich vor dem Treffen bei Zypries auch aus einem anderen Grund unversöhnlich: „Es ist nicht unsere Aufgabe als Hilfssheriff zu ermitteln. Das käme nur der Musikindustrie zugute. Bei uns sind bereits jetzt fünf Leute nur damit beschäftigt, den Behörden bei Ermittlungen zu helfen“, sagte Maurer dem Handelsblatt.
Zur technischen Machbarkeit sagte Susanne Dehmel vom Technologie-Verband Bitkom: „Eine unpersonalisierte Warnung über die IP-Adresse, die bei jedem Gang ins Internet an den Nutzer neu vergeben wird, ist nicht möglich“. Auch Dietmar Müller, Sprecher des Datenschutzbeauftragten der Bundesregierung warnte: „Eine Speicherung und Nutzung für diese Zwecke ist mit geltendem Datenschutz nicht vereinbar.“ Für die Feststellung eines Klarnamens bleibe eine richterliche Anordnung „unabdingbar“.
Das Ausland bewegt sich dagegen bereits in dieser Frage: In Frankreich und England dürfen nach neuesten Gesetzen die Kundendaten mit den so genannten IP-Adressen abgeglichen werden, um auch ohne Strafverfahren Warnungen zu verschicken. In den USA haben sich Ende des Jahres die Provider zu dem geforderten Warnhinweissystem durchgerungen und streben eine Vereinbarung mit der Musikindustrie an. Als Gegenleistung für den Versand von Warnhinweisen durch die Internetprovider will die RIAA, der Verband der amerikanischen Musikindustrie, künftig auf Massenverfahren verzichten. Die RIAA behält sich allerdings das Recht vor, bei massiven Rechtsverletzungen und Wiederholungstätern weiter rechtliche Schritte einzuleiten.
Stefan Michalk ist optimistisch, dass es zu einer Einigung kommt. „Die Provider sind wegen der immer geringeren Margen beim Internetzugang auch gezwungen, mehr Einnahmen aus legalen Tauschbörsen zu erzielen.“
Zypries lädt zu Gipfel gegen Raubkopierer - Politik - Deutschland - Handelsblatt.com