Superhirn als Supertrickser
Starker Saisonauftakt des Teams von Ross Brawn
Ross Brawn gilt als Superhirn der Formel 1. Der einstige Technikchef von Ferrari hat mit seinem Racing Team und den Motoren von Mercedes beim Qualifying von Melbourne alle Konkurrenten abgehängt. Genial! Oder steckt nur ein diffuser Trick dahinter?
Als der ehemalige Chefentwickler von Benneton und Ferrari, Ross Brawn, alle Anteile des Formel-1-Rennstalls Honda übernommen und als Teamchef sein eigenes Brawn GP Formula One Team gegründet hat, da erschien dieser Neuling wohl keinem der etablierten in der Königsklasse als ernsthafter Konkurrent um den WM-Titel.
Doch Brawn (Spitzname Superhirn), der sich die Dienste der bisherigen Honda-Fahrer Jenson Button und Rubens Barrichello gesichert und vor allem auf die Motoren von Mercedes gesetzt hat, ließ schon 10 Wochen nach der Honda-Übernahme während der Testfahrten im Laufe der Winterpause aufhorchen. Die Brawn-GP-Boliden zeigten den Anderen die Heckflügel.
Perfekte Infrastruktur
Mercedes Sportchef Norbert Haug hatte das Team schon früh auf der Rechnung: "Ich wäre nicht überrascht, wenn Brawn GP positiv überraschen könnte. Das Team hat eine perfekte Infrastruktur, und Ross Brawn weiß, wie Konkurrenzfähigkeit entwickelt wird." Und Rubens Barichello, der Brawn aus seiner Zeit bei Ferrari gut kennt, hatte vor dem WM-Auftakt verlauten lassen: "Ich würde um keinen Preis der Welt tauschen. Ross Brawn hat mir ein wundervolles Auto hingestellt. Warum sollte ich es tauschen wollen?"
Und der Brasilianer hat Recht - zumindest was den Grand Prix von Australien in Melbourne angeht. Da belegen Button und Barrichello nach dem Qualifying scheinbar spielerisch leicht die Startplätze eins und zwei. Doch neben der Anerkennung für die tolle Fahrt ist den beiden auch das Misstrauen eines Großteils der anderen Rennställe gewiss. Denn der Brawn GP soll "gedopt" sein.
Gedopter Renner?
Die Teams Ferrari, Renault und Red Bull hatten am Donnerstag offiziell Protest gegen den Heck-Diffusor der drei Rivalen Brawn GP, Toyota und Williams eingelegt. Dieses Bauteil ist nach Ansicht der drei Kläger illegal und bringt einen Vorteil von etwa fünf Zehntelsekunden pro Runde. Die FIA-Sportkommissare in Melbourne wiesen den Protest aber zurück, der beanstandete Diffusor sei regelkonform, hieß es kurz und knapp in der Begründung.
Sollte das FIA-Berufungsgericht dem Einspruch jetzt stattgeben, könnten die sechs Autos von Brawn, Toyota und Williams nachträglich disqualifiziert werden. In diesem Fall würden die Ergebnisse der ersten beiden Rennen am grünen Tisch neu festgelegt. Die Entscheidung darüber fällt am 14. April.
Britisches "Cleverle"
Doch Brawn sieht der Verhandlung gelassen entgegen. Hatte er doch einfach - wie auch Williams und Toyota - eine Grauzone im nagelneuen Reglement ausgenutzt. Sie verbesserten die Aerodynamik des Diffusors am Unterboden des Fahrzeughecks, indem sie dort einen zweiten, nach oben gebogenen, anbrachten, durch dessen Löcher die Luft in den oberen Diffusor einströmt und so für eine extreme Saugwirkung und somit Fahrstabilität sorgt. Der Brite Brawn bemerkt dazu in der Zeitschrift "Auto, Motor und Sport": "Es ist eine clevere Lösung, aber die hätte jeder haben können."
Quelle: zdf