Die Klitschko-Brüder werden erst Ruhe geben, wenn sie sich alle vier Weltmeistergürtel um den Leib schlingen dürfen. Noch jagen sie ihrem Traum von der uneingeschränkten Familien-Regentschaft in der Königsklasse des Profi-Boxens hinterher.
Wladimir Klitschko besitzt die Gürtel der International Boxing Federation (IBF) und der World Boxing Organization (WBO), sein Bruder Vitali den Titel des World Boxing Council (WBC). Doch einer der vier wichtigen Verbände fehlt - und spätestens da beginnt das Chaos.
Das Prunkstück der World Boxing Association (WBA) gibt es gleich zweimal: der Russe Nikolai Walujew aus dem Berliner Sauerland-Stall hat es und der Usbeke Ruslan Chagaev von der Hamburger Universum Promotion auch. «Unser Ziel ist es, alle vier Titel in der Familie zu haben. Der Gürtel der WBA fehlt uns noch, und ich will nicht freiwillig auf die Erfüllung des Traums verzichten», sagt WBC-Weltmeister Vitali Klitschko.
In der mit 60 000 Zuschauern gefüllten Veltins-Arena von Gelsenkirchen will Wladimir Klitschko dem großen Ziel ein Stück näher kommen. Seine Gürtel der IBF und WBO stehen auf jeden Fall zur Disposition. Ob es auch um den WBA-Titel geht, will der Verband bis zum Kampftag klären. Unabhängig vom «Richterspruch» und dem Ergebnis zwischen Klitschko und Chagaev bleibt «Russen-Riese» Walujew einer der beiden WBA-Weltmeister. Ungeklärt ist auch, ob der Sieger des «Knockouts auf Schalke» sich spätestens im nächsten Jahr den 2,13-Meter-Mann vorknöpfen darf.
Dass der jüngere Klitschko bei einem Sieg in Gelsenkirchen bereits als WBA-Champion den Ring verlässt, ist nicht zu erwarten. Die WBA würde sich mit einer gegenteiligen Entscheidung immer tiefer ins Dilemma manövrieren. Denn Chagaev gilt bislang nur als «Weltmeister in der Pause» (champion in recess), Walujew jedoch als Weltmeister ohne Einschränkungen. Zu der absurden Titelaufsplittung kam es, weil Chagaev nach seinem Sieg über Walujew vor zwei Jahren zweimal nicht zum Rückkampf (Verletzung, Krankheit) antreten konnte. In 26 Monaten hat Chagaev nicht eine Pflichtverteidigung bestritten, vorgeschrieben ist jedoch mindestens eine pro Jahr. Der dritte Anlauf gegen Walujew vor wenigen Tagen in Helsinki wurde von finnischen Ärzten gestoppt, weil Chagaev Träger des Hepatitis-B-Antigens ist. In Deutschland darf er boxen, in anderen Ländern nicht.
Vor zehn Monaten durfte «Russen-Riese» Walujew gegen einen anderen Rivalen zur erfolgreichen Titeleroberung in den Ring klettern, während der Usbeke im Krankenbett zum «Weltmeister in der Pause» degradiert worden war. Das Verwirrspiel dauert seither an. Lösung offen. Unvorstellbar, dass Klitschko bei einem Sieg den merkwürdigen Pausen-Titel Chagaevs übernehmen würde. «Dann wäre Niko Walujews Image beschädigt. Wie soll man den Zuschauern erklären, dass es neben dem populären Dreifach-Weltmeister Klitschko noch Niko gibt. Wir würden vermutlich weniger Eintrittskarten verkaufen und die Fernseh- Übertragung wäre in Gefahr», sagt Sauerland-Geschäftsführer Christian Meyer.
«Ich bin der stärkste Mann im Schwergewicht», behauptet Wladimir Klitschko und ist überzeugt, dass nur er der nächste Walujew-Rivale sein kann. Auf die lange Bank schieben können die Klitschkos das Unternehmen «4 Gürtel» nicht. Vitali wird im Juli 38, da ist das Karriereende im Ring absehbar. Er könne die Titel großzügig mit seinem Bruder teilen, meint Wladimir. «Da wäre ich auch nicht eifersüchtig oder neidisch.»
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