Schumi-Ersatz Badoer blamiert Ferrari
Aus Valencia berichtet Elmar Brümmer
Gleich zwei Mann auf einmal zu ersetzen, Felipe Massa UND Michael Schumacher nämlich, dass war auch ein bisschen viel verlangt von Luca Badoer beim Großen Preis von Europa. Nach neun Jahren, neun Monaten und 23 Tagen Rennpause hat der erste Italiener, der seit 15 Jahren wieder einen Ferrari in einem Grand Prix bewegen durfte, bewiesen: Dazugelernt hat er nichts, trotz 150.000 Testkilometern in seiner Zeit als Edelreservist.
Er kam als 17. und letzter gewerteter Fahrer überrundet an. Ziel erreicht, das Fossil unter der Rennfahrern hat die Zielflagge gesehen. Und sonst nicht viel, so sehr war er mit sich selbst beschäftigt. Kleiner Dialog nach Rennende zur Veranschaulichung: "Luca, hast Du Rubens schon gratuliert?" – "Nein, warum, hat er das Rennen etwa gewonnen? Ach, und wer ist Zweiter geworden?"
Peinliche Vorstellung von Badoer
Letzter Startplatz, zwei Dreher gegen die Fahrtrichtung, eine Feindberührung, ein Harakiri-Manöver bei der Boxenausfahrt, Durchfahrtsstrafe wegen Überfahrens einer weißen Linie, drei Boxenstopps, vier mal über dem Tempolimit in der Boxengasse am ersten Trainingstag – das liest sich wie ein Tagebuch der Unzulänglichkeit. "Wenn ich später mal zurückblicke, wird das einer der schönsten Augenblicke meines Lebens gewesen sein", glaubte Badoer in seiner Bilanz. Na klar, der Kindheitstraum jedes Italieners: Einmal Ferrari fahren. Aber wie? Die Wahl nein zu sagen hatte er nicht. Aber jetzt steht die Vertragsverlängerung als Testpilot auch noch auf dem Spiel. Vielleicht ist in Grand Prix Nummer 49 die Karriere des 38-Jährigen endgültig zerstört worden. Sein trauriger Rekord hält: Kein anderer Fahrer mit so vielen Einsätzen blieb punktlos.
Armutszeugnis für die Formel 1
Badoers Desaster ist aber ganz generell ein Armutszeugnis für die Formel 1: Wieso hat eine hochprofessionelle Sportart keinen adäquaten Nachwuchs, warum ein Top-Team wie Ferrari keinen Mann, der topfit ist? Weil es das System nicht will. Im Sparwahn wurden die Testfahrten auf ein Minimum reduziert, die Ersatzfahrer kommen selbst im Winter kaum dazu, Erfahrungen zu sammeln – und das in einer technischen und ganz nebenbei nicht gerade ungefährlichen Disziplin, in der probieren über studieren geht. Würde Bayern München einen Mittelstürmer einsetzen, der zehn Jahre kein Spiel gemacht hat? Eben. Nur wegen der allgemeinen Notlage war Renn-Rentner Michael Schumacher überhaupt in Betracht gezogen und dann reaktiviert worden. Der Kerpener kam trotz des Nackenschlags nach Valencia, um seinem Kumpel Badoer das Händchen zu halten – und bei diversen grenzwertigen Aktionen das Gesicht zu einer ernsten Grimasse zu verziehen. Entweder, um das Entsetzen oder ein Lachen zu verbergen. Nach gut 2,8 Sekunden Rückstand in der Qualifikation und 1,7 Sekunden bei den besten Rundenzeiten im Rennen auf den Schnellsten stellt sich die Frage nicht mehr: Wo wäre wohl Schumacher gelandet? Weiter vorn, viel weiter. Tapfer sagt Badoer: "Ich habe mich um eine Sekunde verbessert, das ist ein vernünftiger Schritt..."
Ferrari bemüht sich um Fisichella
Der Mann, der Schumi sein soll, darf das am kommenden Wochenende nochmal probieren. Eine Mut-Strecke. "Dann sehen wir weiter", sagt Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali. Schumacher erteilte in Valencia eine Absage an alle Hoffnungen, dass sein Comeback nur verschoben sei, die Ärzte werden erst Mitte September entscheiden, ob Felipe Massa diese Saison überhaupt nochmal zurückkommt. Aber noch sechsmal eine Badoer-Show, noch dazu auf den anspruchsvollsten Pisten des Jahres, das erscheint den stolzen und eingefleischten Ferraristi als Risiko. Die meisten wissen ohnehin, dass der in den Neunziger Jahren noch als Talent gehandelte Badoer hauptsächlich seinem Pass der Republica Italia den Ausdauer-Job bei der Scuderia zu verdanken hatte. Möglich, dass Ferrari probiert, bis zum Heimspiel in drei Wochen in Monza Giancarlo Fisichella beim finanziell angeblich kriselnden Force-India-Rennstall loszueisen.
Reifeprüfung nicht bestanden
Sein mentales Ziel in Valencia, zu seiner Rolle als Rennfahrer wieder Vertrauen zu gewinnen, hat Luca Badoer nach eigenen Angaben auch erreicht. Aber viele Chancen, der Welt zu beweisen, dass er mehr ist als ein Horst Schlämmer – einer, der sich nur zu Höherem berufen fühlt, hat Luca Badoer wohl nicht.
Foto - Serie