Beim Tabellenführer Hamburger SV wird die Suche nach einem neuen Sportdirektor zur Farce.
Der vom Vorstand favorisierte und wegen seiner Tätigkeit als Spielerberater umstrittene Roman Grill musste ohne die geplante Präsentation vor dem zwölfköpfigen Aufsichtsrat unverrichteter Dinge von dannen ziehen. Zuvor hatte der fast aussichtslose Konkurrent Oliver Kreuzer seine Kandidatur per SMS zurückzogen. «Wir werden jetzt in Ruhe nach einem Sportchef Ausschau halten, das kann aber Monate dauern», sagte der Aufsichtsratsvorsitzende Horst Becker nach der turbulenten Sitzung, zu der am späten Abend auch noch Trainer Bruno Labbadia und der Vorstandsvorsitzende Bernd Hoffmann bestellt wurden, die interimsmäßig die sportlichen Geschäfte weiterführen werden.
«Ich hatte das Gefühl, dass sich der Vorstand unumstößlich auf Grill festgelegt hatte. Da wollte ich den Showdown am Abend nicht mehr mitmachen», sagte Kreuzer der «Bild»-Zeitung (Mittwoch-Ausgabe). 70 Tage nach dem Aus des einstigen HSV-Kapitäns Dietmar Beiersdorfer steht der Bundesliga-Spitzenreiter damit weiter ohne sportlichen Leiter da und gibt nach außen ein amateurhaftes Bild ab. «Ich möchte das nicht kommentieren», sagte Beiersdorfer der Deutschen Presse- Agentur dpa. Der 45-Jährige, der sich in Gesprächen mit dem österreichischen Erstligisten Red Bull Salzburg befindet, weilt noch in Hamburg und verfolgt das Geschehen um seinen ehemaligen Club ganz genau.
«Ich bin sehr froh, dass die Umstellung von Martin Jol zu Bruno Labbadia so geglückt ist», sagte Beiersdorfer. «Die taktische Umsetzung von Labbadia trägt ihre Früchte». Die Resonanz in der Hansestadt auf die Neuzugänge wie Eljero Elia und Zé Roberto freue ihn besonders. Dem ehemaligen Leverkusener Coach traue Beiersdorfer auch zu, seine Arbeit zunächst weiterzuführen. «Bruno hat gute Strukturen im Scouting-Bereich vorgefunden, die er nutzen kann», betonte Beiersdorfer, der nach fast sieben Jahren im HSV-Vorstand bis zu einer Million Euro Ablöse bekommen haben soll.
Wie es bei Auswahl für seinen Nachfolger weitergehen soll, ist völlig unklar. «Das ist eine unerfreuliche Situation. Aber der Aufsichtsrat ist ja auch in einer schwierigen Lage. Ich sehe das sportlich. Ich werde an meiner Kandidatur festhalten», sagte Grill dem «Hamburger Abendblatt». Der 43-Jährige, der einen engen Draht zu Hoffmann und Vorstandskollegin Katja Kraus hat, will sich weiter bereithalten. Mehreren Mitgliedern im Aufsichtsrat reichte ein Kandidat nicht. Nach dem Rückzug von Kreuzer und zuvor Bernd Wehmeyer muss nun ein neuer Bewerber gefunden werden - der womöglich wieder keine richtige Chance erhält.
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