Bei einer weiteren Gewalt-Eskalation in deutschen Fußball-Stadien will DFB-Chef Theo Zwanziger auch vor dem Ausschluss der Fans nicht zurückschrecken.
«Wenn man diese Spiele nur mit einem Riesen-Polizeiaufgebot überhaupt noch sicherhalten kann, dann muss man irgendwann in der Tat sagen: Dann spielt der Fußball nur noch beim Fernsehen, dann ist eben niemand mehr da», sagte Zwanziger der Deutschen Presse-Agentur dpa zu sogenannten Problemspielen wie der Zweitliga-Partie FC Hansa gegen St. Pauli. Allerdings machte der Präsident auch deutlich, dass Ausschreitungen wie zuletzt in Zwickau und Rostock bei insgesamt 1,4 Millionen Fußballspielen im Jahr in Deutschland noch immer die Ausnahme sind: «Selbst die zwei sind nicht die Masse.»
Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) hatte nach den jüngsten Vorkommnissen mit 36 Verletzten bei einem Oberliga-Spiel in Zwickau und 29 verletzten Polizisten in Rostock die Forderung nach finanzieller Beteiligung durch DFB und DFL erhärtet. «Wir erwarten, dass sich der Deutsche Fußball-Bund und die Deutsche Fußball-Liga zu einem angemessenen Teil an diesen Kosten beteiligen», sagte der Bundesvorsitzende Rainer Wendt. Eine pauschale Saison-Gebühr von etwa 50 Millionen Euro wären dabei noch «ein echter Freundschaftspreis», erklärte Wendt. Allein die Personalkosten für die Polizeieinsätze bei Fußballspielen würden deutlich über 100 Millionen Euro liegen.
Für Zwanziger sind solche Forderungen nach wie vor inakzeptabel: «Das sind Wichtigtuer.» Zwar sei es «schlimm für uns», wenn tausende Polizeibeamten ein Fußballspiel sichern müssten. «Aber es ist eine Großveranstaltung wie jede andere - dort ist der Schutz des Staates gefragt», unterstrich der DFB-Chef, der als erste Ansprechpartner des DFB die Innenminister der Länder und die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht, die mit rund 170 000 Mitgliedern wesentlich größer als die DPolG (80 000 Mitglieder) ist. Zudem verwies Zwanziger auf die soziale Kraft des Fußballs «in den vielen anderen Spielen», in denen es friedlich zugeht.
Er könne zwar nicht versprechen, dass es nie wieder Vorfälle geben werde. «Aber ich kann versprechen, dass wir nicht weggucken, diese Dinge betrachten, auswerten und mit den Möglichkeiten, die ein Verband hat, umsetzen», sagte Zwanziger. Und in letzter Konsequenz stünden dann auch Spiele vor leeren Rängen: «Wenn man spürt, das ist nur mit einer unverhältnismäßigen Zahl von Sicherheitsmaßnahmen überhaupt friedlich zu halten, dann muss man die Frage stellen, ob man dort noch mit Publikum spielen kann.»
DPolG-Vorsitzender Wendt warf DFB und DFL vor allem kommerzielles Denken vor und verlangte ein Mitspracherecht der Polizei bei den Spielansetzungen. Dem entgegnete Zwanziger: «Mit der ZIS gibt es eine zentrale Stelle, die alle Spiele betrachtet und die Ansetzungen unter Sicherheitsaspekten prüft.» Dennoch war das brisante Nordduell Hansa gegen St. Pauli an einem Montagabend angesetzt worden. Spiele nach Einbruch der Dunkelheit erschwerten die Arbeit der Polizei, so Wendt.
Nach den Ausschreitungen in Rostock, bei denen 23 Rostocker Fans wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs vorläufig festgenommen worden waren, laufen die Ermittlungen auf Hochtouren. Dazu werden Videoaufzeichnungen der Polizei ausgewertet. Im Zuge dieser Ermittlungen sei inzwischen ein Täter identifiziert worden, sagte der Rostocker Oberstaatsanwalt Peter Lückemann. Er soll mehrere Steine geworfen haben, dabei sei aber niemand verletzt worden.
Am Rande der Verleihung des Leo-Baeck-Preises, bei der Zwanziger vom Zentralrat der Juden für seinen Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung geehrt wurde, verurteilte der DFB-Präsident auch das Verhalten des St. Pauli-Profis Deniz Naki. Der U21-Nationalspieler hatte nach seinem Tor zum 2:0-Endstand mit einer Kopf-ab-Handbewegung die Rostocker Fans provoziert. «Diese Verhalten eines jungen Spielers, der auch Nationalspieler ist, ist inakzeptabel», sagte Zwanziger. «Das gehört nicht zum Fairplay. Man darf sich freuen, aber man freut sich nicht, indem man andere demütigt.» Naki hatte sich nach der Partie für seine Geste entschuldigt. Der DFB sperrte den 20-Jährigen nur für drei Spiele.
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