13.12.2006 08:58 Uhr - Die Niederlage der Bundesregierung bezüglich des Gesundheitsschutzes vor dem europäischen Gerichtshof könnte sich vielleicht wiederholen. Deutschland hatte bestritten, dass die EU für den Gesundheitsschutz zuständig sei, die Anklage wurde jetzt zurückgewiesen. Betrachtet man die folgende Pressemitteilung, ließe sich das Wort "Gesundheitsschutz" sehr leicht durch "Jugendschutz" ersetzen. Damit könnte die EU den Binnenmarkt regulieren, die Herstellung und den Vertrieb der Spiele ebenso. Sollte ein solches Urteil in nächster Zeit wirklich noch einmal fallen, könnten alle Ego-Shooter-Spieler beruhigt aufatmen.
Nach Einschätzung des "EU Campaigner of the Year 2005", des deutschen Lobbyisten und ehemaligen Blizzard-Mitarbeiters Florian Müller, hätte ein "Verbot jenseits von Vernunft und Augenmaß", wie es die Landesminister Dr.Beckstein und Schünemann fordern, im EU-Rat "nicht den Hauch einer Chance auf eine qualifizierte Mehrheit" und stünde auch im Europäischen Parlament "auf hoffnungslos verlorenem Posten, da außerhalb der deutschen Politik nur ein paar Außenseiter den Beckstein-Schünemann-Kurs unterstützen würden".
Es folgt die offizielle Pressemitteilung des europäischen Gerichtshofs:
Deutschland hat beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Klage auf Nichtigerklärung zweier Artikel der Richtlinie über Werbung und Sponsoring zugunsten von Tabakerzeugnissen in anderen Medien als dem Fernsehen erhoben. Diese Artikel verbieten die Werbung für Tabakerzeugnisse in der Presse und anderen gedruckten Veröffentlichungen, in Diensten der Informationsgesellschaft und in Rundfunkprogrammen sowie das Sponsoring von Rundfunkprogrammen durch Tabakunternehmen. Von dem Verbot ausgenommen sind nur Veröffentlichungen, die für im Tabakhandel tätige Personen bestimmt sind, und Veröffentlichungen aus Drittländern, die nicht hauptsächlich für den Gemeinschaftsmarkt bestimmt sind.
Deutschland stützt seine Klage insbesondere darauf, dass diese Verbote nicht auf der Grundlage von Artikel 95 EG-Vertrag hätten erlassen werden können. Nach dieser Bestimmung ist die Gemeinschaft zum Erlass von Maßnahmen zur Angleichung nationaler Vorschriften ermächtigt, die die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zum Gegenstand haben. Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Voraussetzungen für die Heranziehung dieses Artikels nicht erfüllt sind. Keines der Verbote trage zur Beseitigung von Hemmnissen für den freien Warenverkehr oder zur Beseitigung spürbarer Wettbewerbsverzerrungen bei.
Der Gerichtshof stellt fest, dass die Voraussetzungen für die Wahl von Artikel 95 EG-Vertrag als Rechtsgrundlage tatsächlich erfüllt waren. Er weist darauf hin, dass beim Erlass der Richtlinie Unterschiede zwischen den nationalen Regelungen über Werbung und Sponsoring zugunsten von Tabakerzeugnissen bestanden, die ein Tätigwerden des Gemeinschaftsgesetzgebers rechtfertigten. Diese Unterschiede waren geeignet, den freien Warenverkehr und den freien Dienstleistungsverkehr zu behindern. Sie führten auch zu einer beträchtlichen Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen. Außerdem haben die angefochtenen Artikel der Richtlinie tatsächlich zum Ziel, die Bedingungen für das Funktionieren des Binnenmarktes zu verbessern.
Der Gerichtshof stellt fest, dass der Ausdruck "gedruckte Veröffentlichungen" nur Veröffentlichungen wie Zeitungen, Zeitschriften und Magazine erfasst. Mitteilungsblätter lokaler Vereine, Programmhefte kultureller Veranstaltungen, Plakate, Telefonbücher sowie Hand- und Werbezettel sind demnach ausgenommen. Da die Voraussetzungen für die Heranziehung von Artikel 95 EG-Vertrag erfüllt sind, kann die Wahl dieser Rechtsgrundlage nicht deshalb beanstandet werden, weil sich der Gemeinschaftsgesetzgeber bei den Entscheidungen, die er beim Erlass der Richtlinie getroffen hat, möglicherweise auch vom Gesundheitsschutz hat leiten lassen. Der Gerichtshof erinnert insoweit daran, dass die Gemeinschaft nach dem EG-Vertrag verpflichtet ist, ein hohes Gesundheitsschutzniveau zu gewährleisten. Der ausdrückliche Ausschluss jeder Harmonisierung der in diesem Bereich bestehenden Vorschriften der Mitgliedstaaten bedeutet nicht, dass eine auf einer anderen Grundlage erlassene Harmonisierungsmaßnahme keine Auswirkungen auf den Schutz der menschlichen Gesundheit haben dürfte. Der Gerichtshof weist auch das Argument zurück, dass die angefochtenen Verbote unverhältnismäßig seien. Insoweit stellt er insbesondere fest, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber lokale oder regionale Veröffentlichungen nicht ausnehmen konnte, ohne dass das Werbeverbot dadurch einen ungewissen und zufallsabhängigen Anwendungsbereich erhalten hätte. Zum geltend gemachten Eingriff in das Grundrecht der Presse- und Meinungsfreiheit führt der Gerichtshof aus, dass die Verbote die Freiheit der journalistischen Meinungsäußerung unberührt lassen und nicht die Grenzen des dem Gemeinschaftsgesetzgeber eingeräumten Ermessens überschreiten.
Quelle (Sebastian Thöing) Pc Games
mfg Randel