[h=2]Abmahngebühren sollen gedeckelt werden[/h] 04.02.2013 | Von Jörg Schieb
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Es kann jeden treffen: Da trudelt das Schreiben einer Anwaltskanzlei ein, in dem einem Urheberrechtsverstöße vorgeworfen werden. Musik, Filme, Fotos, die in Tauschbörsen angeboten wurden, zum Beispiel. Neben saftigen Lizenzforderungen hängt auch gleich noch eine Rechnung der Anwaltskanzlei an, in der Regel werden mehrere hundert, oft auch deutlich über 1000, 2000 Euro fällig. Das kann Privatleute leicht in den Ruin treiben. Jetzt will Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger diesem Abzock-Wahnsinn Einhalt gebieten, mit einem entsprechenden Gesetz.
Zunächst: Worum geht es eigentlich? In welchen Fällen wird eigentlich abgemahnt – und was kann das kosten?
Abmahnungen gibt es, wenn Rechteinhaber selbst oder beauftrage Agenturen oder Kanzleien (vermeintliche) Rechtsverstöße entdecken, etwa, wenn Musik oder Filme in einer Tauschbörse angeboten werden. Dann wird der Verursacher ermittelt, meist über die IP-Adresse, dann gibt es eine Abmahnung, oft von einer Anwaltskanzlei. Ob der Vorwurf gerechtfertigt ist oder nicht, spiel zu diesem Zeitpunkt noch gar keine Rolle. Und die dürfen ihre Kosten gleich in Rechnung stellen. Oft erreichen auch Unschuldige oder Ahnungslose solche Abmahnungen, etwa, weil die Kinder etwas verbockt haben – oder der Nachbar sich ins WLAN gehackt hat.
Wie kommen denn diese ungeheuren Kosten zusammen, die da in Rechnung gestellt werden?
Die Höhe der Kosten orientiert sich am Streitwert. Der ist umso höher, je mehr Musiktitel oder Filme angeblich getauscht wurden, da kommen leicht mehrere Tausend Euro Streitwert zusammen – und entsprechend hoch sind dann auch die Anwaltsgebühren, selbst wenn man direkt eine Unterlassung unterschreibt und es nicht vor Gericht landet. Die Anwälte können trotzdem zulangen.
Da hat sich eine regelrechte Abmahn-Industrie entwickelt, die nichts anderes macht, als solche Abmahnungen zu verschicken. Leichter kann man sein Geld kaum verdienen: Massen-Rundschreiben, keine Gerichtstermine und trotzdem voll zulangen. Kein Wunder, dass es so viele Anwälte gibt, die damit ihr Geld verdienen wollen. Die Leidtragenden sind die Empfänger dieser Schreiben, die nicht selten nicht mal schuld sind und dann aber erst mal zahlen sollen. Das Schlimme: Das alles ist bislang rechtens.
Und das soll jetzt gedeckelt werden – zumindest das erste Anschreiben, die erste Abmahnung soll maximal 150 Euro kosten. Reicht das?
Die Justizministerin will die Anwaltskosten auf 150 EUR für das erste Anschreiben deckeln, der Streitwert wird im ersten Verfahren auf 1000 EUR beschränkt. Das sind gute Nachrichten, denn es reduziert die Kosten und es reduziert auch das Risiko, wenn man juristisch gegen solche Abmahnungen vorgehen möchte.
Allerdings sieht das Gesetz Ausnahmen vor, nämlich “im besonderen Umständen des Einzelfalls” und bei “Anzahl und Schwere der Rechtsverletzung”. Das ist aber äußerst vage. Theoretisch können die Abmahner nun immer mit einer schweren Rechtsverletzung argumentieren. Dann landet die Sache doch vor Gericht – nur ein Richter kann klären, ob es sich um einen schweren oder leichten Fall handelt. Und das kostet dann eben. Die Juristen freut`s, die verdienen an diesen Streitigkeiten schließlich.
Wie sieht das denn in der Praxis aus? Kann und sollte man sich gegen Abmahnungen wehren?
Das kommt ganz darauf an. Wenn man genau weiß, dass man schuld ist, sollte man sich das gut überlegen. Es gibt aber viele, viele Fälle, in denen es Unschuldige trifft. Etwa, weil die falsche IP-Adresse ermittelt wurde, das kommt sogar extrem häufig vor. Oder weil ein Netzzugang missbraucht wurde. In solchen Fällen lohnt es sich natürlich, sich zu wehren. Aber das ist mit Aufwand und Kosten verbunden. Immerhin könnten die Kosten in Zukunft geringer werden.
Ist das neue Gesetz nun ausreichend, ist es im Interesse der Verbraucher, wie die Justizministerin behauptet?
Es geht in die richtige Richtung, ist aber noch zu vage formuliert. Es lässt den Abmahner zu viele Hintertürchen offen. Besser wäre, bei einer ersten Abmahnung könnte man immer nur einen Maximalbetrag von 150 EUR nehmen – und es dürften auch keine Schadenersatzforderungen geltend gemacht werden. Dann würden die Rechteverwerter sich wirklich nur noch um die ernsthaften, schweren Fälle kümmern, und dass sie sich um diese kümmern, kann man auch verstehen.
Vorteilhaft ist aber, dass die Ankläger mehr belegen und beweisen müssen als früher. Das macht ihnen die Arbeit immerhin schwerer und reduziert vielleicht auch die Masse an Abmahn-Schreiben etwas. Wünschenswert wäre es jedenfalls.
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